Noel Alejandro

Noel Alejandro (C)Andreu Sallés

Das Wiener Porn Film Festival geht in diesem Jahr in die zweite Runde. Dieses Mal wird unter dem Motto „What is shame?“ vom 4. bis 8. April 2019 eine Reihe von Filmen, Talks und anderen Veranstaltungen angeboten. Der aus Barcelona stammende Filmregisseur Noel Alejandro sitzt als Gast des PFFV in der Jury. BIBER hat mit dem Filmemacher über seine Arbeit im Bereich der Gay Erotica gesprochen.

 

Interview: Nada El-Azar

 

BIBER: Herr Alejandro, Sie sind Teil der Jury des diesjährigen Porn Film Festivals. Wird das Ihr erster Besuch in Wien sein? Worauf sind Sie besonders gespannt?

Noel Alejandro: Das wird mein erstes Mal in Österreich sein und ich bin sehr aufgeregt. Wien ist das Reich von Michael Haneke und anderer österreichischer Regisseure, die mich inspirieren. Wenn ich Zeit habe, möchte ich auch unbedingt die Wiener Philharmoniker sehen.

Wie kam Ihre Einladung zum Festival zustande?

Die Veranstalter des PFFV kamen in Norwegen beim Osloer Fusion Film Festival auf mich zu. Yavuz Kurtulmus stellte sich mir vor und sagte, dass er meine Arbeiten sehr schätzt. Er sagte, wenn ich nach Wien kommen möchte, würde er jetzt sofort die Tickets buchen (lacht). Das war ein Angebot, das ich nicht ausschlagen konnte.

Sie revolutionieren das Genre der Gay Erotica, indem Sie Filme mit Charakteren und einer Handlung sowie expliziten Sexszenen produzieren. Was kann sich der Mainstream-Schwulenporno von Ihnen abschauen?

Das ist eine schwierige Frage. Ich persönlich habe spezielle Anforderungen an meine Filme, was ästhetische Bilder, Kameraführung und eine gewisse Empfindsamkeit der Charaktere betrifft. Aber nichts davon habe ich wirklich erfunden, wenn man bedenkt, dass in den 60ern und 70ern, bevor die Industrialisierung der Branche begann, Pornos nicht vom Gesamtnarrativ eines Filmes getrennt waren. Wenn ein Produzent dieses Level erreichen will, sollte er einfach beginnen, sich selbst ernst zu nehmen. Ich beobachte immer wieder, dass man etwas anders machen will – und dann eine Parodie herauskommt. Ich finde, dass es da oft an Imagination fehlt.

Innerhalb der heterosexuellen Pornoindustrie haben sich Kategorien wie „female-friendly“ und feministischer Porno langsam begonnen einzugliedern. Der Schwulenporno ist aber nach wie vor oft eine raue und rohe Angelegenheit. Warum findet hier scheinbar keine Entwicklung in Richtung Sensibilität und Emotion statt?

Ich erinnere mich an den Moment vor etwa fünf Jahren, als ich gerade meinen ersten Kurzfilm „Eloi & Biel“ machte, in dem ich dachte, okay, jetzt wird es bald viele Künstler geben, die dieselbe Art Filme machen wie ich. Heute bin ich überrascht, dass das noch nicht eingetreten ist. Vielleicht trauen sich viele nicht, sexuell explizite Filme zu machen. Ich komme aus der Schule von Erika Lust, wo ich eine Menge gelernt habe. Nicht nur, wie man feministische, sensible Erwachsenenfilme macht, sondern auch, wie man sie vertreibt und Geld damit verdient. Es könnte auch an dem Stigma gegen Sex in Filmen liegen. Manchmal glaube ich selbst nicht, was für Filme ich mache, obwohl ich das Eis gebrochen habe. Erika hat mitgeholfen, diesen Weg zu beschreiten.

Welcher Teil des Filmemachens ist für Sie am anstrengendsten? Gab es Hürden auf Ihrem Weg in die Selbstständigkeit?

Das Schreiben ist definitiv der komplizierteste Teil meiner Arbeit. Manchmal ist es sehr leicht, eine Idee aus meinem Kopf zu synthetisieren, und manchmal nicht. Was meinen Weg betrifft muss ich zugeben, dass ich es nicht besonders schwer hatte meinen Platz in der Branche zu finden und mit meiner Arbeit eine Marktlücke zu schließen. Ich stecke immer noch in einem niemals endenden Lernprozess.

Wonach suchen Sie beim Casting bei den Darstellern?

Die Darsteller sind ja das Wichtigste an dem Film. Ich achte darauf, dass den Schauspielern ihre Rolle in erster Linie steht. Wenn ich einen 18-Jährigen vor mir stehen habe, werde ich ihm keine Rolle als Polizist oder Gangster geben. Im Mainstream-Porno wird darauf oftmals keine Rücksicht genommen. Ich habe zudem das große Glück, dass sich so viele Menschen für die Rollen bewerben – häufig Tänzer oder Künstler. Sie wissen, wie man sich bewegt, auch wenn sie oft keine Erfahrung mit Sex vor der Kamera haben. Das bewundere ich sehr, weil ich das nicht könnte.

Also haben Sie niemals darüber nachgedacht, selbst in Ihren Filmen mitzuspielen? Sie haben doch genaue Vorstellungen davon, wie alles auszusehen hat.

Nein, mein Platz ist eindeutig hinter der Kamera! (lacht) Ich fände es auch ziemlich arrogant, in meinem eigenen Film zu spielen – sowohl für normale, als auch für explizite Szenen.

Was für Filme würden Sie machen, wenn nicht Erotica?

Ich glaube, das würde sich nicht groß von dem unterscheiden, was ich jetzt mache. Wenn man aus meinen Filmen die Sexszenen entfernen würde, würde das Ergebnis dem schon sehr nah kommen, was ich machen würde. Nicht, dass ich in Zukunft gar keine Sexszenen mehr drehen würde! Der Sex ist nicht zuletzt der Sicherheitspolster, um mit meinen Produktionen Geld zu verdienen, ich bin ehrlich mit Ihnen. Manchmal fühlt sich der Sex auch ein wenig selbstauferlegt an. Aber ich kann noch nicht sagen, wo ich in ein paar Jahren stehen werde.

Wer kauft Ihre Filme?

Ich müsste mich vielleicht einmal danach erkundigen! Jedenfalls weiß ich, dass erstaunlich viele Frauen meine Filme kaufen. Und ich kann bis zu einem Grad auch nachvollziehen, warum: Sie sehen gerne schöne Männer miteinander.

 

Vielen Dank für dieses Gespräch!

 

 

https://www.dasbiber.at/blog/viele-frauen-sehen-gerne-schoene-maenner-miteinander